Xenotransplantation

Moralische Probleme der Xenotransplantation

Zum Text „Ersatzteillager Tier“ von J.S. Ach

Ach beginnt seinen Aufsatz mit der Anführung zweier Gedankenexperimente, die er „AT-Beispiel“ (Allotransplantationbeispiel) und „XT-Beispiel“ (Xenotransplantationsbeispiel) nennt.9
Das Ziel seiner Argumentation ist es, zu zeigen, dass Menschen hinsichtlich der angeführten Transplantationsbeispiele Intuitionen10 haben, die im „AT-Beispiel“ gerechtfertigt sind, dagegen im „XT-Beispiel nicht gerechtfertigt sind, da „moralische Doppelstandards zugrunde liegen“.11
Ach thematisiert in seinem Aufsatz die Schutzwürdigkeit von Tieren und klärt die Frage nach dem moralischen Status von Lebewesen.
Dabei ist als Ausgangspunkt zunächst erwähnenswert, dass er eine Interessen orientierte Moralkonzeption vertritt.12 Als Vertreter des Sentientismus sind Leidens- und Empfin-dungsfähigkeit die entscheidenden Kriterien für die Zuschreibung von Interessen.
„Empfindungsfähigkeit ist, […] die Grundvoraussetzung dafür, daß ein Wesen Interessen in einem moralisch relevanten Sinn haben kann“.13
Wie soll nun mit Lebewesen umgegangen werden, die einen eigenen individuellen moralischen Status haben, also empfindungsfähig sind und damit, wie Ach meint, zur „moralischen Gemeinschaft“ gehören?
An dieser Stelle wird der Terminus „Doppelstandard-Theorie“ relevant. Der zentrale Aspekt in diesem Zusammenhang besteht in der Bewertung und dem Umgang mit Pflichten gegenüber Lebewesen, die der „moralischen Gemeinschaft“ zugerechnet werden.
Anhänger einer „Doppelstandard-Theorie“ würden empfindungsfähigen Tieren moralische Pflichten zwar nicht absprechen, aber der Spezies Mensch besondere Pflichten zusprechen.14
Dabei werden biologische Gattungszugehörigkeit und andere Eigenschaften miteinander vereinigt, wodurch es dann zu einer ähnlichen Einschätzung wie der folgenden kommen kann:
„Menschen, […], unterscheiden sich von Tieren prinzipiell durch ihren Sprachgebrauch, durch Rationalität, durch Vernunft und Autonomie…“.15 Ein solches Modell ist deshalb kritisierbar und so nicht zu akzeptieren, da es bei Mensch und Tier nicht hinsichtlich genannter Eigenschaften genau differenziert.
Letztere hat „ein Wesen in unterschiedlichem Maße oder Grad“16 , d.h., dass die Vorstellung von Haben oder Nicht-Haben hinsichtlich der Eigenschaften unzutreffend ist und es vielmehr dazu kommen muss, von einem unterschiedlichen Maß an Ausprägung zu sprechen.

Schwimm-Fisch - Wassermoose absolut günstig Hunde Pferde Stottern Kinder Schönheitsoperation

9Die Gedankenexperimente im einzelnen: „AT-Beispiel“:„Stellen Sie sich vor: Sie betreuen fünf Patienten in einem Krankenhaus, die im Sterben liegen. Jeder von Ihren Patienten braucht - soll er gerettet werden - ein bestimmtes lebenswichtiges Organ. Sie können alle fünf Patienten retten, wenn sie eine einzige gesunde Person nehmen und dieser Organe entnehmen und auf die fünf Patienten transplantieren. Eine solche Person befindet sich gerade auf Zimmer 306. Es sei überdies angenommen, bei dieser Person handle es sich um einen Schurken, an dessen Leben niemandem gelegen ist; bei den fünf anderen Personen hingegen um menschlich wertvolle Persönlichkeiten. – Was sollen Sie tun?“ (Ach, S. 291).
„XT-Beispiel“: „Sie betreuen eine Patientin in einem Krankenhaus, die im Sterben liegt. Sie braucht - soll sie gerettet werden - ein bestimmtes lebenswichtiges Organ, sagen wir eine Leber. Sie können die Patientin nur retten, wenn Sie ein gesundes Schwein nehmen und dessen Leber auf die Patientin transplantieren. Ein solches
Schwein ist zufällig leicht verfügbar. Es sei überdies angenommen, bei diesem Schwein handle es sich um ein wenig wertvolles Exemplar seiner Gattung; bei der Patientin hingegen um eine menschlich wertvolle Persönlichkeit. – Was sollen Sie tun?“ (Ach, S. 292).
10Für Ach ist bei dem „AT-Beispiel“ intuitiv klar, dass der Schurke eine Berechtigung auf Leben hat. Bei dem „XT-Beispiel“ fällt die Entscheidung schwerer. Eine Alltagsintuition, mit der, wie er meint, viele Menschen übereinstimmen würden, sehe etwa so aus, dass es falsch, wäre Tiere grundlos zu quälen. Da es in diesem Fall um die Rettung eines Menschen geht und damit ein anerkannter Zweck „menschlichen Handelns“ (Ach, S. 293) vorliegt, dürfte zumindest von den Menschen, die „aufgrund kulinarischerVorlieben“ das Töten von Tieren akzeptieren, keine Einwände kommen.
11Ach, S. 293.
12Ebd. S. 301. Die unterschiedlichen Moralkonzeptionen in der neueren moralphilosophischen Diskussion sind anthropozentrisch, pathozentrisch, biozentrisch und holistisch.
13Ebd. S. 302.
14Ebd. S. 302. An dieser Stelle eignet sich das folgende Zitat: „Nozicks Wort vom „Utilitarismus für Tiere, Kantianismus für Menschen“ hat für solche Konzeptionen das Stichwort geliefert.“ (Ach, S. 302) Innerhalb der „moralischen Gemeinschaft“ stände die Spezies Mensch demnach einer „Doppelstandard-Theorie folgend an der Spitze einer „Pflichten-Hierarchie“, wie ich es nennen möchte.
15Ebd. S. 303. Einer Doppelstandard-Theorie zustimmend, könnte es laut Ach fälschlicherweise zu einer solchen Betrachtungsweise kommen.
16Ebd. S. 304. Ach verweist im nachfolgenden Absatz noch auf etwas ganz Entscheidendes: Selbst wenn empirisch nachgewiesen würde, dass der Mensch eine Eigenschaft hat und Tiere genau diese Eigenschaft nicht haben, müsste argumentativ gezeigt werden, warum gerade diese Eigenschaft das Kriterium dafür ist, eine Ungleichbehandlung zu rechtfertigen.
Webkataloge